Wohin eine schlaflose Nacht führen kann
Diese Widmung möchte ich teilen, weil sie berührt. Sie stammt von einem Menschen, der eine Woche lang aus dem Weltraum auf die Erde schauen konnte. Sigmund Jähn, Kosmonaut, erster Deutscher im Weltall. Er schrieb diese Zeilen 1979 einem Mädchen, das er nicht persönlich kannte. Das Mädchen war ich.
Sigmund Jähn war ein Kosmonaut aus der DDR, ich eine Schülerin in der BRD. Unsere Schnittmenge: Begeisterung fürs Weltall.
Wie kam ich zu dieser Widmung des Kosmonauten Sigmund Jähn?
Die Nacht zum 21. September 1979 verbrachte ich am Küchentisch. Ich wollte für Sigmund Jähn unbedingt ein Geschenk basteln, das ihn an seinen Besuch in München erinnerte. Meine ziemlich abgefahrene Idee als junge Münchnerin: aus heißem Bienenwachs ein bayerisches Wappen gießen und mit Plaka-Farben bemalen.
Das Material dafür hatte ich, das Know-How nicht. Mal geriet die Wachsschicht zu dünn, mal kleckerte ich mit den Farben. Weit nach Mitternacht hatte ich endlich ein präsentables Ergebnis, aber längst nicht alles fertig. Damit die Farbe schneller trocknete, pustete ich immer wieder drüber. Nebenbei schrieb ich eine Karte mit der Bitte um ein Autogramm in mein Astronomiebuch. Ob ich danach noch schlafen konnte, weiß ich nicht.
Sigmund Jähn schrieb mir mehr als nur ein Autogramm
Ein Personenschützer aus dem Bekanntenkreis meiner Familie wusste von meiner Astronomie-Begeisterung und hatte mir am Abend erzählt, dass er gerade Sigmund Jähn auf dessen offiziellem Besuch in München begleite. Er versprach, meine Sachen am frühen Morgen abzuholen und sie dem Kosmonauten zu übergeben, falls sich eine Chance dazu bieten würde. Und tatsächlich: Sigmund Jähn schrieb in mein Astronomiebuch – und zwar viel mehr als erhofft. Dafür danke ich ihm von Herzen.
Worte mit nachhaltiger Wirkung
So kam ich am 21. September 1979 zu dieser wunderbaren, nachdenklichen Widmung (und zusätzlich zu einer Autogrammkarte mit einem Foto des lächelnden Sigmund Jähn an Bord der Raumkapsel Sojus-31). Über Sigmund Jähn wurde viel geschrieben und sehr oft, dass er ein sympathischer, bescheidener und liebenswürdiger Mensch war. Glaube ich sofort.
Sigmund Jähns Worte beeinflussen mich nachhaltig. Sie sind präsent, wenn ich zu den Sternen schaue oder wenn ich lese, wie stark die Lichtverschmutzung in unseren Breiten weiter zunimmt. Über einer deutschen Großstadt lassen sich heute nur 50 Sterne ausfindig machen.
Wo der Himmel überquillt vor Gestirnen
Viele Menschen haben noch nie einen Nachthimmel bei klarer Atmosphäre und tiefer Dunkelheit gesehen. Im äußersten Osten Portugals können sie es. In der Provinz Alentejo gibt es rund um den Stausee Alqueva einen dünn besiedelten Landstrich mit besten Voraussetzungen zur Sternenbeobachtung: Erstens kaum Lichtverschmutzung, deshalb stockdunkle Nächte. Zweitens meist klare Atmosphäre, deshalb ungetrübte Sicht auf einen Nachthimmel voller Sterne.
Vor zehn Jahren war das einfach nur finsterste Provinz. Heute nennt sich die Gegend “Dark Sky Alqueva” und ist ein Top-Reiseziel für Sternengucker. Hier kann man ohne Vorkenntnisse sein All-Wissen erweitern oder All-Nacht-Fantasien nachhängen. Man kann Abenteuer erleben, von denen man noch nicht mal geträumt hat. Ferne Galaxien am Teleskop live vor Augen haben. Durch die Nacht reiten. Im Stockdunklen über den Alqueva See paddeln, sich zurücklehnen – und mit Blick aufs Firmament verstehen, woher die Milchstraße ihren Namen hat.
Eine Reise zu den Sternen
Über “Dark Sky Alqueva” habe ich für das Magazin BRIGITTE eine Reisegeschichte geschrieben, die jetzt erschienen ist (Heft 19/2020). Inklusive: Reisetipps für Urlaub im Alentjeo und weitere Reisetipps für alle mit Sehnsucht nach dem Sternenhimmel.
Auf meiner Recherchereise im Alentejo hatte ich meine alte drehbare Sternenkarte aus den 70er Jahren dabei. Wie damals suchte ich bis zur Nackenstarre den Himmel nach Sternbildern ab. Natürlich wäre ich zu gern einmal ins All abgehoben – und wieder zurück gekommen.
Sigmund Jähns Weltraumflug jährt sich dieser Tage. Er umkreiste die Erde zwischen dem 26. August und 3. September 1978 insgesamt 125 Mal. Aus dem All schwärmte er per Funk von der Schönheit unseres Planeten. Aber es bleibe wenig Zeit “sich nur mit der Bewunderung unserer schönen Erde zu befassen”, sein Kollege und er hätten viel zu tun.
Meine Reisegeschichte in der BRIGITTE widme ich mit großem Dank Sigmund Jähn.
Mehr:
• Sigmund Jähn – Originalton aus dem All, Infos und Videos
• Sigmund Jähn – Kurzbiografie und Video
• Persönlichkeiten erinnern (sich) an Sigmund Jähn
• Top-Astrotourismus-Destination Dark Sky Alqueva
• Die Erfinderin von Dark Sky Alqueva
• Brigitte-Ausgabe 19-2020 mit meiner Titelgeschichte “Eine Reise zu den Sternen”
Foto: © Doris Ehrhardt Textett